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Die Menschen Masurens
 

Vielerlei ist über die Masuren berichtet worden, und mancher glaubte wohl, sie ihrer ursprünglichen Einfachheit wegen belächeln zu dürfen. Die sogenannten Segnungen der Kultur, die wir lieber als Zivilisation bezeichnen möchten, sind verhältnismäßig spät in dieses weiträumige Land gekommen. Wie konnte es bei den schwierigen Verkehrsverhältnissen anders sein, als selbst noch in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg der "Rasende Masur", der getreu bei jedem Dörfchen hielt, oftmals die einzige Verbindung war zur weiten Welt. Es gibt Ortschaften, die 20 km und mehr von der Bahnstation entfernt liegen, ganz zu schweigen von den abgelegenen kleinen Hofstellen an irgendeinem kleinen See, in irgendeinem großen Walde, zu denen nur die Wegspuren eines Feldweges führen. Trotz der großen Abgeschlossenheit und trotz der harten Lebensbedingungen ist gerade aus Masuren neben dem bäuerlichen Kunsthandwerk, von dem noch zu berichten sein wird, ein unerhört reicher Schatz an schönsten Volksliedern überliefert, Lieder, die noch bis in die letzte Zeit viel und gern gesungen wurden. Die masurischen Lieder haben fast alle etwas Fröhliches, herzlich Warmes an sich, im Text wie auch in den Melodien - im großen Gegensatz zu den litauischen Dainos, die auf der Nehrung noch viel gesungen wurden und die oft von einer großen Schwermut sind.

Die Masuren waren von Natur aus gutmütig, fleißig und bescheiden, sehr gastfreundlich und immer bereit, die kleinen Freuden des Daseins dankbar zugenießen.

Wandert man durch ein masurisches Dorf, dann freut man sich an dem warmen Ton, den die zumeist der Straße zugekehrten Giebel ausstrahlen. Es ist die Wetterfarbe dieser altersgrauen Häuser, es ist das Holz, das eben ein besonders anheimelnder Baustoff ist. Die Art der Holzverschalung wechselt ständig, der mannigfaltige Giebelschmuck desgleichen. Der Giebel des Hauses ragt häutig etwas vor und ist dann mit zwei oder drei hölzernen Säulen abgestützt. Die Spitze des Giebels ist stets mit einem Holzzierat versehen. Diese Zier ist fast an jedem Haus des Dorfes anders. Die Ausschmückung des Giebels ist eine Art volkstümlicher Kunst, die sich bis auf unsere Tage in Masuren erhalten hat. Der Bauer in Masuren lebt in geschlossenen Dörfern oder in den verstreut liegenden Abbauten. Die liegen inmitten der Acker und Wiesen. Besonders in der hügeligen Kuppenlandschaft des Landes ist diese Siedlungsform verbreitet.

Um den Hofraum herum sind die Wohn- und Stallgebäude in einem Viereck angeordnet. Auch der hölzerne Ziehbrunnen befindet sich dort. Nach der Erntezeit begegnet man überall im Lande hohen Getreide- oder Heuschobern, die ein besonders Schutzdach tragen, das sich zwischen den vier Pfählen, je nach der Menge des vorhandenen Erntegutes, höher oder tiefer stellen läßt.

Da die weißen Nächte des Nordens in ganz Ostpreußen sehr viel mehr in Erscheinung traten als im westlichen Deutschland, wurde auch die sommerliche Johannisnacht in Stadt und Land auf eine besondere Art gefeiert. So ließ man gern brennende Teertonnen auf den See hinausschwimmen.

Bestieg man den Turm oder den Bodenraum einer Kirche, hielt man vielleicht vor zahlreichen Särgen an. Auf jedem stand der Name und der Wohnort des Besitzers. Es war ein Brauch, sich schon zu Lebzeiten den Sarg zu kaufen. Mancher hatte ihn auch auf dem Hausboden. Die Äpfel wurden darin aufbewahrt oder der Roggen. Man wußte um die Vergänglichkeit des Lebens und man nahm darum das Mehl zum Brot oder Apfel für die Kinder zum fröhlichen Fest getrost aus jener letzten Behausung, die man für seinen Leib bereitgestellt hatte. Tod und Leben waren dicht beieinander. Man lebte nicht umsonst an der Grenze und nicht umsonst in dieser Landschaft, die so reich an Licht und an Schatten ist.

Man kann wohl sagen, daß dieser Schatten, der schon aus alten Notzeiten her auch über dem Leben der masurischen Menschen lag, sich am meisten in den alten Sagen und Märchen ausprägte. Da ist das Erschauern vor den dunklen Mooren, vor der unheimlichen Wassertiefe, vor dem Wassermann, der in Masuren Dobnick oder Topich genannt wurde. Der Mensch, war er nicht oft genug hilflos den Naturgewalten ausgeliefert? Gab es nicht vielleicht doch in Wirklichkeit Kobolde und Waldgeister, die einen neckten oder in die Irre führten? Und wie war es mit den "Untererdschen", von denen die kleinen Kinder bedroht waren? Es wurden viele Geschichten erzählt in Masuren, die Winterabende waren ja so lang, und es lohnt sich schon, sich mit dem reichen Schatz an Sagen und Märchen zu beschäftigen, wenn man den masurischen Menschen kennenlernen will.

Ein origineller Vertreter des masurischen Volkstums war der Pfarrer Michael Pogorzelski, der in Lepaken bei Lyck 1737 geboren wurde und gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Kalinowen als Pfarrer starb. Er hatte sich bei der Rettung eines auf dem See eingebrochenen Fahrzeugs und der Menschen darin eine tödliche Lungenentzündung geholt. Er war Lehrer, Organist, Schulrektor und später Pfarrer. Seine Predigten versah er häufig mit seinen eigenen drastischen Dichtungen. In seiner oft komisch-derben Sprache, in seiner kindlich-naiven Gemütstiefe, in seinem köstlichen Humor, aber auch mit seiner tiefen Lebensweisheit und echten Frömmigkeit darf man ihn wohl als Typus des masurischen Menschen bezeichnen.

 

Geändert am 01.06.2000
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