Auf den Fluren des Europaparlaments in Brüssel rumort es. „Prag
hat wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank“, schimpft ein Mitarbeiter
eines Abgeordneten. Zustimmend möchte man meinen, - ja jetzt geht’s
für die Heimat um die Wurst!
Hintergrund für Küchenmetaphern ist die EG-Verordnung 208 1/92
und eine Liste von 30 Produkten, für die Tschechien den sogenannten
Ursprungsschutz einfordert. Diese Forderung hat nun zu einem Waffel-
und Käsestreit geführt. Dürfen „Karlsbader Oblaten“ und „echte Olmützer
Quargeln“ noch heißen wie sie heißen? Wenn Prag sich in Brüssel
durchsetzt, dann dürfen sudetendeutsche Spezialitätenbäcker nur
noch „Karlovarske oplatky“ herstellen. Und zwar ausschließlich in
Karlovy Vary, wie man Karlsbad nun zu nennen beliebt. Eine Produktion
in der Bundesrepublik würde sogar einen völlig neuen Markennamen
erfordern.
Ähnliche Anwandlungen gab es im vorpolitischen Raum auch schon
hinsichtlich anderer Gerichte. Vor zwei Jahren forderte der in Danzig
gebürtige Schauspieler Wolfgang Völz im NDR-Fernsehen die Umbenennung
eines bekannten ostpreußischen Gerichts in „Kaliningrader Klopse“.
Und treibt man es geschmacklos weiter mit den Delikatessen, dann
essen wir künftig nur noch Sowjetsker Käse und spülen die Krakower
Wurst mit einem Dobrowolsker (Pillkaller) herunter. In der Adventszeit
genießen wir dann zudem Toruner Kathrinchen – oder heißt es Toruner
Katarzynka? – und Wroclawer Pfeffernüsse.
In der europäischen Küche geht’s hoch her. Dennoch, - der gut gebaute
Sprecher der Sudetendeutschen und CSU-Europaabgeordnete Bernd Posselt
scheint nicht anzunehmen, daß die Tschechen sich durchsetzen werden
und nimmts gelassen. „Sie wissen, ich verstehe etwas vom Essen“,
erklärte er der dänischen EU-Landwirtschaftskommissarin Mariann
Fischer-Boel. International gängige Spezialitätenbezeichnungen dürfe
man jetzt nicht geographisch verengen. Selbst die PDS-Politikerin
Sylvia-Yvonne Kaufmann pflichtete Posselt bei und bestätigte die
Schmackhaftigkeit der Oblaten.
Bei aller Freude über solchen Unfug aus Prag darf nicht übersehen
werden, daß hier ein EU-Mitgliedsstaat, der die Vertreibung der
Deutschen seit Jahren öffentlich verteidigt und Unrechtsdekrete
in die Rechtsordnung der EU hat einfließen lassen, nun auch bemüht
ist, die international anerkannte Kultursubstanz der Vertriebenen,
die sich unter anderem besonders in Lebensmittelbezeichnungen manifestiert,
gesetzlich zu tilgen. Wenn sich so etwas durchsetzt, dann sind im
nächsten Schritt die Sudetendeutschen selbst nur noch Tschechen
und Königsberger Ostpreußen nur noch Kaliningrader Russen zu nennen.
Das dies keine Übertreibung sondern eine reale Gefahr darstellt,
hat die Preußische
Allgemeine Zeitung wiederholt nachgewiesen. Seinerzeit ging
es um die Geburtsangaben in Personalausweisen, die in Frankfurt
und Stuttgart ausgestellt wurden und aus in den 30ern in Königsberg
gebürtigen Deutschen in „Kaliningrad (RUS)“ geborene Personen machten.
Was deutsche Behörden durch peinliches Nichtwissen praktizieren,
wird von den Tschechen bewußt und gewollt als zweite Vertreibung
betrieben. Die tschechischen Abgeordneten sind zwar derzeit um Schadensbegrenzung
bemüht. Aber es ist offensichtlich, daß man es auf einen Versuch
hat ankommen lassen wollen. Eine Lebensweisheit besagt: Der Böswillige
wird nicht durch sein Scheitern geläutert. Weitere Geschmacklosigkeiten
darf man also getrost erwarten.
Bernhard Knapstein
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